In seiner Werkstatt im oberpfälzischen Rettenbach fertigt der 28-Jährige Schuhwerk von der Antike bis zum Barock und legt dabei großen Wert auf historisch korrekte Verarbeitung.
Melanie Burgermeister
In seiner Werkstatt im oberpfälzischen Rettenbach fertigt der 28-Jährige Schuhwerk von der Antike bis zum Barock und legt dabei großen Wert auf historisch korrekte Verarbeitung.

Im Gespräch mit Schuhmacher Stefan Schneidewind aus Rettenbach im Landkreis ChamAuf historisch korrekten Sohlen

Das Hobby zum Beruf machen. Viele träumen davon, er hat es gemacht: Der gebürtige Karlsruher Stefan Schneidewind ist Schuhmacher mit Spezialgebiet historisches Schuhwerk und Inhaber eines eigenen Geschäfts mit Namen "Maßwerk Historische Schuhe". Karriere auf Umwegen: Denn ursprünglich wollte Schneidewind Garten- und Landschaftsbauer werden, auch arbeitete er lange Zeit mit behinderten Menschen für den Verein Lebenshilfe. "Doch meine Leidenschaft für historische Schuhe beeinflusste mich so stark, dass ich mich schließlich für die Schuhmacherausbildung am Badischen Staatstheater entschloss", berichtet der 28-Jährige. In die Oberpfalz verschlug es ihn, weil seine Verlobte von dort stammt. Hier wagte Schneidewind den Schritt in die Selbständigkeit und übernahm dafür das Inventar von einem ansässigen Schuhmachermeister, der sich zur Ruhe setzte, und von dessen Erfahrungsschatz er profitierte. Nebenbei arbeitet der junge Handwerker bei einem Orthopädie-Schuhmacherbetrieb im benachbarten Regen. "Mein Herz schlägt jedoch klar für historische Schuhe", sagt Schneidewind augenzwinkernd.

Leidenschaft begann als er "kniehoch" war

"Meine Faszination für historisches Handwerk entdeckte ich als Kind auf Mittelaltermärkten, da nahm mich mein Vater oft mit", erzählt Stefan Schneidewind rückblickend. Da er schon immer gerne mit seinen Händen arbeitete, alles selbst ausprobieren wollte, ging er zum Schmied, zum Töpfer, zum Drechsler und zum Maßschneider. "Ich fand es toll, mir meine Ausstattung für mein Hobby selbst herzustellen." Auch für Freunde aus der Szene habe er damals schon Schuhe gebaut. Mittlerweile hat er sein Handwerk perfektioniert und fertigt Schuhwerk von der Antike bis zum Barock. Zu seiner Kundschaft gehören unter anderem Reenactment-Fans aus aller Welt, die bei Live-Events historische Ereignisse nachspielen und großen Wert auf historisch exakt gefertigtes Schuhwerk legen: "So habe ich mir über die Jahre hinweg ein ganzes Archiv an Publikationen aus Museen, archäologischen Ausgrabungen und ersten Versandhauskatalogen zugelegt", berichtet er stolz. Zusätzlich finden sich mehr als 5.000 Bilder von verschiedensten Schuhtypen aus allen Jahrhunderten auf seinem Laptop. Zur historisch korrekten Verarbeitung gehört für den jungen Schuhmacher auch die Verwendung ursprünglicher und regionaler Materialien: "Zum Einsatz kommen nur chromfrei und pflanzlich gegerbte Leder, das kommt den historischen Vorlagen möglichst nahe." Alles handgenäht und kein Einsatz von Klebstoff. "In meinen Schuhen steckt sehr viel Arbeit und Qualität."

Altes Handwerk trifft moderne Vertriebskanäle

Stefan Schneidewinds Hauptvertriebskanal ist sein Webshop. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie war er zudem auf vielen Events unterwegs, um Neukundenkontakte zu knüpfen. Das A und O bei einer Bestellung: die korrekten Maße. Und damit seine Kunden die eigenen Füße selbst passgenau vermessen können, stellt Schneidewind detaillierte Anleitungen unter anderem in YouTube-Videos als Service zur Verfügung. Besonders gefällt Schneidewind an seinem Handwerk: "Dass es so vielseitig ist, ich arbeite mit den unterschiedlichsten Materialien und Werkzeugen, habe Kontakt zu tollen Persönlichkeiten und der Designfaktor ist sehr hoch." Doch auch Schneidewind treffen die Auswirkungen von Corona: "Meine Einnahmen aus meiner Solo-Selbstständigkeit sind in den letzten Monaten drastisch zurückgegangen. In meiner Teilzeit-Tätigkeit war ich in den akuten Krisenwochen in Kurzarbeit." Nun befürchtet er, dass er die erhaltenen Corona-Hilfszahlungen, die er während des Lockdowns erhalten hat, wieder zurückzahlen muss. So sei es vor Kurzem einem befreundeten Kollegen aus Berlin ergangen. Und doch betont er: "Ich will nicht jammern. Anderen Handwerkern ist es viel schlimmer ergangen." Für die Zukunft möchte Schneidewind weiter kreativ bleiben und arbeitet aktuell an einer Schuhkollektion aus dem 17. und 18. Jahrhundert. 2021 folgt eine Barfußschuhkollektion, ähnlich den Römerschuhen. "Nur wer große Pläne hat, kommt weiter", so Schneidewinds Motto. Seine positive Lebenseinstellung lässt er sich auch in Krisen-Zeiten nicht nehmen: "Meine Arbeit erfüllt mich und hat einen hohen ideellen Wert für mich. Das ist ein großes Geschenk."

Weitere Informationen

Wege ins Handwerk: Ausbildung, Duales Studium und Co.

Lehrstellenbörse: Lehrstellen und Praktika finden

Wir beraten Existenzgründer



Stefan Schneidewind machte sein Hobby zum Beruf, spezialisierte sich auf historisches Schuhwerk und hat sich mit seinem eigenen Betrieb ein zweites Standbein erschaffen.
Melanie Burgermeister
Stefan Schneidewind machte sein Hobby zum Beruf, spezialisierte sich auf historisches Schuhwerk und hat sich mit seinem eigenen Betrieb ein zweites Standbein erschaffen.