Bereits zum elften Mal fanden die "Marienbader Gespräche" statt - dieses Jahr unter dem Motto "Gemeinsam gestalten und voneinander lernen". Marienbader Gespräche 2018
9. November 2018
Dass es nicht die eine Lösung gibt, um das Thema Fachkräftesicherung zu bewältigen, sondern viele Aspekte zusammenspielen, das zeigten die diesjährigen Marienbader Gespräche eindrucksvoll. Zum mittlerweile elften Mal lud die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz rund 160 Wirtschaftsexperten aus der Grenzregion Ostbayern, Tschechien, Österreich und der Slowakei zum Erfahrungsaustausch ein. Unter dem Motto "Gemeinsam gestalten und voneinander lernen" beschäftigten sich die Teilnehmer einen Tag lang mit den aktuellen und zu erwartenden Entwicklungen der grenzübergreifenden Arbeit.
Fachkräftemangel gemeinsam bekämpfen
Zu wenige Fachkräfte für die vorhandenen Aufträge - das war der zentrale Gesichtspunkt, der bei den Marienbader Gesprächen im Fokus stand. In drei Arbeitskreisen präsentierten hochrangige Referenten die aktuellen Herausforderungen am grenzübergreifenden Arbeits- und Ausbildungsmarkt (Arbeitskreis 1 und 2) sowie die Hemmnisse grenzübergreifenden Arbeitens (Arbeitskreis 3). Hierbei hat sich immer wieder gezeigt, dass Ausbildung und aktuelle Arbeitsmarktsituation nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. "Der Fachkräftemangel ist kein Problem, das nur Ostbayern betrifft, sondern die gesamte Grenzregion", betonte der Präsident der Handwerkskammer Dr. Georg Haber.
Grenzübergreifendes Arbeiten: Wunsch oder Wirklichkeit?
In Arbeitskreis 1 wurde deutlich, dass gerade junge Menschen Arbeiten im Ausland als Chance begreifen. In Tschechien könne sich knapp ein Viertel der Jugendlichen vorstellen, jenseits der Grenzen tätig zu werden, berichtete Jan Husák vom Tschechischen Kinder- und Jugendrat. Allerdings gibt es noch immer bedeutende Unterschiede in der Ausbildung der Fachkräfte. Sprachbarrieren, Qualität und Praxisbezug in der Ausbildung sind häufig kritisierte Punkte. Anhand verschiedener Konzepte diskutierten die Teilnehmer, wie sie diese Differenzen in Zukunft beseitigen können. Das Projekt "Deutsch ist Gold" von Tandem Pilsen oder die Schulkooperation der Zuckerbäcker und Konditoren aus Straubing und Tschechien setzen gerade hier an.
Dass Kreativität und neue Wege bei der Suche nach geeigneten Fachkräften immer mehr an Bedeutung gewinnen, das bestätigten auch die Ergebnisse des Arbeitskreises 2. In Bayern wie auch in Tschechien herrsche große Not, betonte Prof. Dr. Tobias Chilla von der Universität Erlangen. Beide Regionen sollten gemeinsam versuchen, auch Fachkräfte aus anderen Ländern in ihren Arbeitsmarkt zu integrieren und das als Chance zu verstehen.
Dass die Dienstleistungsfreiheit in Europa auf deutscher wie auf tschechischer Seite aufgrund administrativer Hürden noch immer nicht praktikabel für die Betriebe ist, darüber herrschte im Arbeitskreis 3 Konsens. Gemeinsam stellten die Teilnehmer Forderungen auf, wie die novellierte Entsenderichtlinie auf nationaler Ebene umgesetzt werden sollte. In jener wird ein rechtlicher Rahmen für die Erbringung von Dienstleistungen im europäischen Ausland festgesetzt. Mit diesen praxisgerechten Vorschlägen, die von den Experten der Grenzregion gemeinsam erarbeitet wurden, haben alle Akteure nun ein starkes Argument in der Diskussion mit politischen Entscheidungsträgern. Das gemeinsame Ziel sei, es den Betrieben mit möglichst geringem bürokratischen Aufwand zu ermöglichen, rechtssicher im europäischen Binnenmarkt tätig zu werden.
Potentiale der Europäischen Union nutzen
Die Ergebnisse und Forderungen der Arbeitskreise präsentierte am Abend Jürgen Kilger, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, im Plenum. "Um die aktuellen Probleme in Angriff nehmen zu können, müssen unsere Nationen zusammenarbeiten", forderte er. Auch die Generalkonsulin der Tschechischen Republik in München Kristina Larischová bekannte sich klar zur Stärkung der Europäische Union. "Wir leben in einer Zeit, in der Grenzen gar nicht mehr richtig existieren - zumindest beim Reisen", erklärte sie. "Unser Ziel sollte es sein, dass das auch beim Arbeiten der Fall ist." Den Austausch in Marienbad betrachtete sie hierfür als Erfolg bringende Plattform.
"Zusammenarbeit, die Früchte trägt"
Die Marienbader Gespräche zeichnen ein realitätsgetreues Bild der aktuellen Situation in der Grenzregion. Ausschlaggebend für den Erfolg sind der offene Dialog und die gute Kooperation von Behörden, Kammern, Institutionen und Unternehmen. "Über die Jahre hinweg ist so eine Zusammenarbeit entstanden, die Früchte trägt", so der Präsident der Handwerkskammer Dr. Georg Haber. Gerade in einer Zeit, in der Isolationstendenzen einzelner Länder wiedererwachen, sei es umso wichtiger, grenzübergreifend zusammenzuarbeiten.
"Hier findet Europa statt", sagte Hauptorganisatorin und Außenwirtschaftsberaterin Katharina Wierer. Die Marienbader Gespräche seien eine Plattform, die den Gedanken der Union umsetze, gehe es doch darum, voneinander zu lernen, Gutes zu übernehmen und, wo sinnvoll, gemeinsam zu agieren, so Wierer weiter.
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Informationen
Weitere Informationen unter www.hwkno.de/marienbadergespraeche.