Umsetzung der Europäischen BarrierefreiheitsrichtlinieBarrierefreiheitsstärkungsgesetz

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vom 16. Juli 2021 tritt größtenteils am 28. Juni 2025 als Umsetzung der Europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie in Kraft.
Ergänzt wird das BFSG durch die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) vom 15. Juni 2022, welche ebenfalls am 28. Juni 2025 in Kraft tritt.



Die Regelungen sind somit ab dem 28. Juni 2025 anzuwenden.



 Ansprechpartner

Fragen beantworten Ihnen gerne Claudia Kreuzer-Marks (Oberpfalz) und Markus Scholler (Niederbayern).

Claudia Kreuzer-Marks

Abteilungsleiterin

Tel. 0941 7965-130

Fax 0941 7965 198

claudia.kreuzer-marks--at--hwkno.de

Markus Scholler

Rechtsassessor

Tel. 0851 5301-112

Fax 0851 5301-103

markus.scholler--at--hwkno.de

Was ist der Zweck des Gesetzes?

Das Gesetz regelt verpflichtend die rechtlichen Vorgaben für die Barrierefreiheit bestimmter Produkte und Dienstleistungen, die von Verbrauchern genutzt werden. Alle Menschen mit Behinderung sollen Produkte und Dienstleistungen insbesondere ohne besondere Erschwernisse nutzen können.
Den Schwerpunkt der neuen Vorschriften bilden Vorgaben für Hersteller zur barrierefreien Gestaltung bestimmter Produkte. Darüber hinaus werden jedoch auch Barrierefreiheitsanforderungen für Unternehmen vorgeschrieben, wenn sie Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern anbieten.







 



Wer wird in die Pflicht genommen?

Das Gesetz verpflichtet alle Hersteller, Händler und Importeure der in § 1 Absatz 2 BFSG erfassten Produkte, als auch Dienstleister der Leistungen aus § 1 Absatz 3 BFSG.







Um welche Produkte geht es?

§ 1 Absatz 2 BFSG regelt die Produkte abschließend

  • Hardwaresystem für Universalrechner für Verbraucher incl. Betriebssysteme (z. B. Computer, Notebooks, Tablets)
  • Selbstbedienungsterminals, beispielsweise Geldautomaten oder Check-In-Automaten
  • Verbraucherendgeräte, die für Telekommunikationsdienste gebraucht werden (z. B. Smartphones)
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang (z. B. Fernsehgeräte mit Internetzugang)
  • E-Book-Lesegeräte




Im Handwerk wird somit in aller Regel allenfalls die Verpflichtung als Händler für etwaig verkaufte Produkte greifen.







Um welche Dienstleistungen geht es?

Es geht um Dienstleistungen, die für Verbraucher erbracht werden. Die Auflistung in § 1 Absatz 3 BFSG ist abschließend.

  • Telekommunikationsdienste (z. B. Internetzugang, Telefonie, Messenger-Dienste)
  • Digital angebotene Dienstleistungen für den überregionalen Personenverkehr (z. B. Webseiten, Apps, elektronische Ticketdienste)
  • Bankdienstleistungen für Verbraucher
  • E-Books sowie deren Software
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr (z. B. E-Commerce, Online-Termin-Buchungs-Tools).

Im Handwerk wird somit die Betroffenheit bestehen, wenn Webshops betrieben und dabei die oben genannten Produkte verkauft werden oder bei Terminbuchungsmöglichkeiten in digitalen Medien.

Wichtig:
Webseiten, die nur das Unternehmen, dessen Produkte oder Dienstleistungen beschreiben fallen nicht unter das BFSG.

Nach der amtlichen Gesetzesbegründung sind nur die Webseiten oder die mobilen Anwendungen der Dienstleistungserbringer erfasst, durch die den Verbrauchern die Angebote vorgestellt werden sowie Buchungen und Zahlungen getätigt werden können.

Handwerksbetriebe die Webshops betreiben, werden betroffen sein



 Wichtig

Webseiten, die nur das Unternehmen, dessen Produkte oder Dienstleistungen beschreiben fallen nicht unter das BFSG.



Gibt es Ausnahmen?

Kleinstunternehmen sind von den Verpflichtungen des BFSG ausgenommen, wenn sie Dienstleistungen anbieten oder erbringen. Die Dienstleistungen müssen also nicht barrierefrei gestaltet sein.

Wichtig:
Die Ausnahme für Kleinstunternehmen gilt nur für Dienstleistungen. Für die Produkte bestehen nur die unten dargestellten allgemeinen Ausnahmen.
Wenn Kleinstunternehmen aber Produkte in den Verkehr bringen, fallen sie somit unter das BFSG. In der Regel werden dann wie bereits oben erläutert die Pflichten als Händler greifen.

Ein Kleinstunternehmen liegt vor, wenn das Unternehmen weniger als zehn Beschäftigte hat und der Jahresumsatz höchstens 2 Millionen € beträgt bzw. die Jahresbilanzsumme sich höchstens auf diesen Betrag beläuft.

Sonstige Ausnahmen:
Für den Fall, dass dann das Unternehmen nicht unter diese Ausnahme fällt besteht noch die allgemeinen Ausnahmen der §§ 16 und 17 BFSG.

Die Verpflichtungen sind demnach nicht einzuhalten, wenn ihre Einhaltung

  • nicht zu „einer grundlegenden Veränderung der Wesensmerkmale“ eines Produkts oder
  • einer Dienstleistung führt oder wenn die Einhaltung zu einer unverhältnismäßigen Belastung führen würde.

Für das Berufen auf die Veränderung der Wesensmerkmale findet man eine kurze Information in den Leitlinien zur Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (dort Seite 3 und 4). Es muss dadurch die Leistungsfähigkeit des Produktes in einem solchem Ausmaß beeinflussen werden, dass es nicht mehr den beabsichtigten Zweck erreichen kann.  Wenn sich ein Unternehmen auf die unverhältnismäßige Belastung berufen möchte muss diese Beurteilung anhand der in Anlage 4 des BFSG genannten Kriterien vornehmen werden.

 

Dokumentation der allgemeinen Ausnahme:

Die Hürden für das Berufen auf diese Ausnahmen sind sehr hoch. Unter anderem muss die Beurteilung der Ausnahmesituation dokumentiert und für 5 Jahre aufbewahrt werden. Außerdem ist die zuständige Marktüberwachungsbehörde zu informieren. Die Zuständigkeit der Überwachung obliegt den Bundesländern und ist nicht einheitlich geregelt.

Die zuständige Marktüberwachungsbehörde in Bayern wurde bislang (Stand 10.09.2024) noch nicht bestimmt. Sobald es eine Liste der zuständigen Marktüberwachungsbehörden in den Bundesländern gibt, wird diese auf der Seite der Bundesfachstelle Barrierefreiheit veröffentlicht.

 Wichtig

Die Ausnahme für Kleinstunternehmen gilt nur für Dienstleistungen. Für die Produkte bestehen nur die unten dargestellten allgemeinen Ausnahmen.





Welche allgemeinen Anforderungen an Dienstleistungen bestehen?

Die Anforderungen ergeben sich grundsätzlich aus § 14 BFSG. Es bestehen vor allem erhöhte Informationspflichten gemäß der Anlage 3 des BFSG sowie § 12 der BFSGV.

  • So muss die Dienstleistung in einem barrierefreien Format beschrieben werden.
  • Ebenso müssen Erläuterungen über die Funktionsweise der angebotenen Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden.
  • Weiterhin ist eine Beschreibung bereitzustellen, wie die Barrierefreiheitsanforderungen der § 12 BFSGV erfüllt werden.
  • Es ist die Marktüberwachungsbehörde anzugeben.

Die Informationen (sogenannte Barrierefreiheitserklärung) müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust auf der Webseite oder anderen digitalen Anwendungen vorhanden sein.

Das bedeutet, dass die Informationen und alle Inhalte auf der Webseite über zwei Sinne erreichbar sein müssen (z. B. auch als Vorlesefunktion neben der schriftlichen Darstellung).  Die Informationen müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein. Außerdem müssen die Texte gut lesbar sein, was die Schriftgröße und den ausreichenden Kontrast betrifft.

Es bietet sich an, dass man die Barrierefreiheitserklärung bei den rechtlichen Hinweisen wie Impressum oder Datenschutz oder in den AGB (soweit vorhanden) unterbringt.



Welche speziellen Anforderungen an die Barrierefreiheit müssen bei der Dienstleistung „elektronischer Geschäftsverkehr“ umgesetzt werden?

Neben den oben genannten Anforderungen finden sich zusätzliche Anforderungen in § 19 BFSGV.

Beim Verkauf in Online-Shops müssen die Informationen zur Barrierefreiheit der verkauften Produkte bereitgestellt werden, soweit sie diese vom Produkthersteller bzw. Importeur zur Verfügung gestellt werden.

Sodann ist sicherzustellen, dass Identifizierungs-, Authentifizierungs-, Sicherheits- und Zahlungsfunktionen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust (= leistungsstabil) gestaltet und bereitgestellt werden. Das bedeutet, dass beispielsweise Sicherheitsmaßnahmen und -technologien für den Zahlungsverkehr eingesetzt werden müssen, um finanzielle Transaktionen und Kundendaten zu schützen. Dazu gehört die Verschlüsselung als auch die Überprüfung der Identität von Nutzern.

Diese Informationen sind wiederum barrierefrei darzustellen.





Welche speziellen Anforderungen an die Barrierefreiheit müssen als Händler umgesetzt werden?

Ein Händler darf ein Produkt (betroffene Produkte siehe oben) gemäß § 11 BFSG nur auf dem Markt bereitstellen, wenn

  • das Produkt mit der CE-Kennzeichnung bezüglich der Übereinstimmung mit Barrierefreiheitsanforderungen versehen ist,
  • dem Produkt die Gebrauchsanweisung und die Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache beigefügt sind,
  • das Produkt durch den Hersteller eine Kennzeichnung (z. B. Seriennummer) und Herstellerangaben (Firma, Postanschrift) enthält
  • und auch bezüglich des Einführers des Produkts (falls eine Einführung aus einem Drittstaat außerhalb des Binnenmarkts der Europäischen Union durch einen Importeur vorliegt) die Angabe zur Firma und Postanschrift vorliegen.




Welche Anforderungen bestehen für die Hersteller der Produkte?

Hier wird das Handwerk nicht betroffen sein. Der Vollständigkeit halber sind die wesentlichen Eckpunkte dargestellt.

Es wird gefordert, dass die Produkte barrierefrei sind. Hierzu werden nach der BFSGV regelmäßig Standards veröffentlicht, welche zu beachten sind. Auch müssen Informationen zur Nutzung des Produkts, Kennzeichnungen, Gebrauchsanleitungen und Warnhinweise in mehr als einem sensorischen Kanal (beispielsweise durch Vorlesen) zur Verfügung stehen. Weiterhin ist die Wahrnehmbarkeit, Angemessenheit der Größe und Kontrast der Darstellung gefordert.

Es gibt zudem für Produktverpackungen und Anleitungen Vorgaben hinsichtlich der Darstellung sowie spezielle branchenspezifische Anforderungen an einzelne Produkte.





Welche Anforderungen bestehen für die Einführer der Produkte?

Als Einführer gilt man, wenn man als Unternehmer in der Europäischen Union die Produkte aus einem Drittstaat außerhalb des Binnenmarkts der Europäischen Union in den Verkehr bringt, also importiert.

Ein Einführer darf ein Produkt (betroffene Produkte siehe oben) gemäß § 9 BFSG nur in den Verkehr bringen, wenn der Hersteller alle seine Pflichten erfüllt hat. Außerdem hat der Einführer seinen Namen, seine Firma sowie die Postanschrift auf dem Produkt bzw. auf der Verpackung oder einer beigefügten Unterlage anzugeben.





Wo findet man technische Vorgaben zur Barrierefreiheit?

Momentan gibt es noch keine näheren Informationen über technische Standards. Sobald die Bundesfachstelle Barrierefreiheit Informationen zu den technischen Standards gemäß BFSGV erlangt, werden diese auf deren Website veröffentlicht (§ 3 Absatz 2 BFSGV). Derzeit kann die Bundesfachstelle Barrierefreiheit jedoch keine Aussage dazu treffen, wann das der Fall sein wird.

Einige Reglungen findet man in der europäischen Norm EN 301 549. Die Norm beschreibt die Vorgehensweise, um die Barrierefreiheit von Informations- und Kommunikationstechnik des öffentlichen Sektors sicherzustellen und gilt dafür momentan als verbindlicher Standard

Für Webseiten und sonstigen digitalen Anwendungen bezieht sich die EN 301 549 auf den internationalen Standard „Richtlinien für Barrierefreie Webinhalte (WCAG) 2.1” (Level AA).





Wo gibt es Informationen zur Ausgestaltung barrierefreier Webseiten bzw. zur eigenen Prüfung?

Auf der Webseite des Bundesministeriums des Innern und für Heimat finden Sie Checklisten.

Auf der Webseite der Bayerischen Staatsregierung finden Sie weitere Informationen.

Auf der Webseite von Aktion Mensch besteht eine Möglichkeit zum Test der Webseite.





Welche Folgen haben Verstöße?

Verbraucher können sich an die Marktüberwachungsbehörde wenden, welche die Einstellung der Dienstleitung anordnen kann. Dies gilt auch für die Produkte. Darüber hinaus können Bußgelder von bis zu 100.000 € verhängt werden.

Auch Mitbewerber können im Rahmen des Wettbewerbsrechts mit Abmahnung wegen der Verstöße vorgehen.