Resumée der Herbsttagung 08 der Studiengesellschaft für Mittelstandsfragen zum Thema "Mittelstand vor demographischen Herausforderungen"Demographischer Wandel: Die Herausforderung kann bewältigt werden
Prof. Dr. Werner Teufelsbauer, Dezember 08
Die folgenden Bemerkungen stellen kein Ergebnisprotokoll der Herbst- Tagung 08 der Studiengesellschaft für Mittelstandsfragen dar. Sie versuchen hingegen auf Grundlage der Referate und Diskussionen aus Sicht des Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats der Studiengesellschaft Schlussfolgerungen zu ziehen, die für weitere Diskussionen und für die zukünftige Tätigkeit der Studiengesellschaft relevant sein könnten. Dort wo nicht explizit der Name eines Referenten (in Klammer) angegeben ist, handelt es sich in diesem resümierenden Artikel daher immer um die persönliche Meinung seines Verfassers.
Mehr denn je bot die Studientagung 08 einen fast "enzyklopädisch" zu bezeichnenden Zugang zum Thema- nicht zuletzt dank der Unterstützung durch den herausragenden Demographen Prof.em.Josef Schmid, früher Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Studiengesellschaft, dem an dieser Stelle besonders gedankt werden soll. Die über die Homepage der Studiengesellschaft und auch auf CD verfügbaren Tagungsunterlagen belegen gleichermaßen den breiten Horizont und den Tiefgang der Tagung. Mehr denn je kann sich das folgende Resümee auf die Ergebnisse der Tagung und deren Bewertung beschränken.
A. Daten und Fakten: Die Ausgangslage ist ungewöhnlich gut definiert und dokumentiert, die Zukunft stärker durch die Ausgangslage determiniert als in anderen Wissensgebieten, Gestaltungsmaßnahmen müssen primär am Umfeld und nicht am Phänomen selbst ansetzen.
Die ironische Einsicht der Gescheiteren unter den Ökonomen, dass nichts so unsicher sei wie die Zukunft, trifft für demographische Prognosen nur eingeschränkt zu. Dies vor allem, weil in unserer Zeit - und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft - die zwei großen aus der Vergangenheit heraus kaum je prognostizierbaren Plagen der Menschheit- Seuchen und große Kriege- doch seltener und wesentlich unwahrscheinlicher geworden sind. Die meisten der sonst in der Bevölkerungsentwicklung wirksamen Faktoren haben lange, über Generationen gehende Ausreifungszeiten, ändern sich selbst nur allmählich (z.B. Geburtenrate, Lebenslänge, etc) und sind in Zahl und Art überschaubar. Die bei der Tagung durch (Dobritz) vorgelegten Bevölkerungsprognosen für Deutschland und vielleicht zu einem etwas geringerem Grad- die von (Schmid) vorgelegten Prognosen für die Weltbevölkerung- wurden dementsprechend kaum in Frage gestellt. Sie sind auch einem breiten Publikum und der Politik weithin bekannt.
Bevölkerungsprognosen erleiden auch kaum das Schicksal der Selbstzerstörung vieler sonstiger Prognosen, weil hier den Prognosekonsumenten kaum ausreichend schnell wirkende Instrumente zur Beeinflussung des prognostizierten Phänomens selbst (z.B. der Geburtenrate) zur Verfügung stehen. Das Gestaltenwollen der Menschen und im besonderen der Politik konzentriert sich daher primär auf die Anpassung des einer Gestaltung eher zugänglichen Umfeldes an die kaum beeinflussbare Veränderung des Phänomens Bevölkerungsentwicklung selbst.
Die Notwendigkeit, Möglichkeit und Art solcher Anpassungen stand im Zentrum der Tagung. Voraussetzung für eine solche Erörterung ist natürlich eine Einschätzung der sich aus der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung ergebenden Probleme. Bei einer solchen Einschätzung kann es durchaus zu unterschiedlichen Meinungen kommen, die auch während der Tagung zum Ausdruck kamen. Nach einer nur kurzen Besprechung der Bevölkerungsprognosen sollen im vorliegenden Resümee vor allem diese Einschätzungen und in der Folge die daraus folgenden unterschiedlichen Lösungsvorschläge stehen.
A.1. Die deutsche Bevölkerung altert und nimmt ab. Die Abnahme betrifft besonders die Gruppe der Jungen und der Erwerbstätigen.
Die von (Dobritz) referierten Entwicklungen in der deutschen Bevölkerung sind von vier Faktoren geprägt[1]
- Die Geburtenhäufigkeit ist mittlerweile so niedrig, dass sich die Elternjahrgänge bei weitem nicht mehr vollständig durch die Geburt von Kindern ersetzen.
- Zweitens werden wir immer älter, wobei die gewonnen Lebensjahre in Gesundheit anwachsen
- Drittens ist der heute bestehende Altersaufbau zu einem Beschleuniger des Alterns geworden, da geburtenstarke Jahrgänge in ein immer höheres Alter vorrücken und geringer besetzte Jahrgänge nachfolgen.
- Ein vierter Faktor, die Zuwanderung, gewinnt nur dann an Bedeutung, wenn sehr viele junge Menschen nach Deutschland kommen würden.
Heute leben in Deutschland etwa 82 Mio Menschen. Bis 2020 dürften es 1- 2 Mio weniger sein, danach beschleunigt sich die Abnahme. 2050 wird Deutschland- je nach Prognoseannahme nur mehr zwischen 69 und 74 Mio Einwohner haben. Dramatisch wird die Anzahl der 1- 20 Jährigen sinken: 2020 werden es knapp 14 Mio, 2050 aber nur mehr zwischen 10,5 und 11,5 Mio sein. Das entspricht einem Rückgang des Anteils an der Gesamtbevölkerung von 20.% auf etwas mehr als 15%.
Etwas weniger stark, aber immer noch dramatisch wird der Rückgang der Erwerbsbevölkerung prognostiziert. Von knapp 50 Mio (2006) wird die Zahl der 20- 65 Jährigen bis 2020 um etwa 5% sinken. Danach beschleunigt sich der Rückgang durch das Ausscheiden der Baby-Boomer Generation. 2050 wird das Erwerbspotential nur noch zwischen 35,5 und 39 Mio liegen. Die Erwerbsbevölkerung wird damit von knapp 61% (2005) auf rund 52% zurückgehen.
Die Alten (also in der gängigen Definition die 65 Jährigen und Älteren) machen zur Zeit knapp 20 % der Bevölkerung aus. Bis 2020 wird der Anteil auf etwa 23% steigen, 2050 aber bereits etwa zwischen 32% und 33% liegen.
In der Vergangenheit-besonders in den 60er, 70er und 90er Jahren gab es in Deutschland eine starke Nettozuwanderung (z.B. Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre mehr als 1,5 Mio pro Jahr). Diese liegt nun nur mehr bei etwa 100.000.
Die Entwicklung wird also nicht linear sondern in den nächsten 20 Jahren eher moderat, danach aber stark beschleunigt ablaufen, weil dann der Buckel der Baby-Boomer das Erwerbsleben verlassen wird. Mit der Alterung und Verminderung der Bevölkerung verbundenen Probleme werden daher besonders stark im Zeitraum zwischen 2030 und 2050 schlagend werden. Danach wird sich die Entwicklung wieder entschleunigen.
A.2. Die Weltbevölkerung wird- im Gegensatz zu Europa- wachsen. Die Wachstumsraten der Bevölkerung wie auch der ökonomische und soziale Entwicklungsstand der einzelnen nicht-europäischen Länder sind stark unterschiedlich
In dem Maße, in dem die Globalisierung fortschreitet und ihre mannigfaltigen Wirkungen entfaltet können ökonomische und soziale Probleme des demographischen Wandels eines Landes/einer Region nicht mehr von der Entwicklung der Bevölkerung in anderen Teilen der Welt getrennt betrachtet werden. Menschen, Güter und Kapital verbinden sie immer stärker. Die Entwicklung in außereuropäischen Ländern kann damit die Probleme des eigenen Landes einerseits verstärken (z.B. Einwanderungsdruck minder Qualifizierter und minder Integrationswilliger), andererseits aber auch Teil der Lösung seiner Probleme werden (siehe weiter unten).
Nach (Schmid) wird die Bevölkerung der Industriestaaten als Ganzes zwischen 2007 und 2050 stagnieren (doch in Europa zurück gehen und in Nordamerika steigen), jene der Entwicklungsländer aber weiter beträchtlich wachsen. Die größte Dynamik weist dabei Afrika mit einer jährlichen Wachstumsrate von 2,4% auf, dahinter folgen Indien mit 1,6% und Asien (ohne China) mit 1,5%. China wird auf Grund seiner konsequenten Ein-Kind Politik nur mehr geringfügig wachsen. Besonders stark werden einzelne islamische Länder wachsen, so beträgt zur Zeit die durchschnittliche Kinderzahl einer Frau in Pakistan 4,1, in Deutschland aber nur 1,3.
B. Aus Daten und Fakten können zukünftige Problemfelder abgeleitet werden. Die meisten davon werden von Wissenschaft und Medien unter apokalyptischen Vorzeichen diskutiert . Einschlägige Interessen unterstützen die Protagonisten aus nahe liegenden Gründen.
Die oben kurz beschriebenen Bevölkerungsprognosen haben nicht nur Eingang in Fachkreise gefunden sondern werden mehr und mehr ein Thema der Medien und der Politik. Wie immer sind die terrible simplificateurs unterwegs. Im Gegensatz zum 20 Jahrhundert, als Deutschland von vielen als Volk ohne Raum verstanden wurde spielt nun in der öffentlichen Diskussion die Angst machende Vorstellung eines Raums ohne Volk unterschwellig eine gewisse Rolle. Profilierung suchende Jungpolitiker sehen ihr Klientel von den Alten ausgebeutet und verlangen, die Generationengerechtigkeit in die Verfassung zu schreiben. Gewisse populistische Medien und Politiker vorwiegend aus den Alpentälern ängstigen sich laut vor der Zuwanderung und warnen vor der Umvolkung. Familienpolitiker traditionellen Zuschnitts interpretieren den Wunsch, die Geburtenrate wieder zu erhöhen als deutlichen Hinweis, zur bürgerlichen- christlichen Familie mit der Frau am Herd zurück zu kehren.
Die meisten dieser Partialapokalypsen haben trotz ihrer Verzerrungen und Übertreibungen einen wahren Kern. Diesen heraus zu schälen sollte ein Teil der Tagung der Studientagung dienen, um anschließend rational über Lösungen diskutieren zu können.
B.1. Gefährdung des intergenerativen Zusammenhalts/ Der Anstieg des Abhängigenkoeffizienten: das Problem der Finanzierbarkeit einer alternden Gesellschaft. Die Alten stehlen den Jungen die Zukunft
Nach (Dobritz) wird der Jugendkoeffizient, also das Verhältnis von nicht erwerbstätigen Jungen (1-19 Jahre) zur Erwerbsbevölkerung (20-65 Jahre) zwar von 32,5 (2006) auf 29,2 (2050) sinken, der analog definierte Altenkoeffizient aber im gleichen Zeitraum von 32,7 auf 64,3 explodieren. Der Abhängigenkoeffizient als Summe von Alten- und Jugendkoeffizient wird dementsprechend von 65,2 (2006) auf 97,0 steigen. Dies bedeutet eine Gesamtsteigerung der Belastung der Erwerbstätigen mit der Finanzierung der abhängigen Jungen und Alten von fast 50%.
Sofern keine Drittfinanzierung (siehe weiter unten) möglich ist bedeutet dies im modernen Wohlfahrtsstaat europäischer Prägung wohl, dass die Belastung der Erwerbstätigen mit Steuern und Abgaben für die Abhängigen (Kindergeld, Bildung, Rente,Gesundheit, Pflege etc.) im gleichen Ausmaß steigen muss. Da der Anteil dieser Ausgaben des Staates an seinen Gesamtausgaben beträchtlich ist, würde dies in Zukunft entweder eine substantielle Erhöhung der Steuern und Abgaben oder aber eine entsprechende Neuverschuldung zur Folge haben müssen, deren Kosten abermals von den zukünftigen Erwerbstätigen zu tragen sein würden.
Ausgehend von dieser Analyse gibt es die Befürchtung, dass die Alten den Jungen die Zukunft stehlen indem diese zunehmend auf sauer erarbeites Leistungseinkommen verzichten müssen. Generationengerechtigkeit wird eingefordert (Mißfelder). Gerecht wäre es, wenn die Alten für das Alter vermehrt Eigenvorsorge durch Ansparen betrieben.
B.2. Das Problem einer Gefährdung des soziokulturellen Zusammenhalts: Zusammenprall der Kulturen?
Der einflussreiche Feuilletonchef und Herausgeber der FAZ Frank Schirrmacher[2] beklagt in seinem Buch Minimum die in den nächsten Jahrzehnten zu erwartenden Tendenzen einer sozialen Desintegration. Diese sei auf Grund der Auflösung der Familie zu erwarten: die geringe Geburtenrate werde dazu führen, dass immer mehr Kinder ohne Geschwister und immer mehr Erwachsene ohne Kinder, aber auch ohne Ehepartner leben würden. Erwachsene würden sich zunehmend nicht um ihre (nicht vorhandenen) Kinder sondern um ihre alten Verwandten kümmern müssen. Mit dem Zeitablauf würde Verwandtschaft überhaupt zunehmend als soziales Bindeglied in der Gesellschaft ausgedünnt, damit aber auch genuin altruistisches Verhalten. Dies deshalb, weil in den Städten die Familien aus soziokulturellen Gründen zerfielen (Die urbane Single- Gesellschaft), in den demographisch immer mehr ausgedünnten ländlichen Gebieten über den Raum verteilte noch existente Familien aber aus logistischen Gründen nicht mehr in der Lage wären Altruismus zu leben. Soziale Leistungen, die bisher in beträchtlichem Umfang im Rahmen des familiären Altruismus- Systems erbracht wurden (im Schatten des Marktes und der staatlichen Solidarsysteme) müssten in Zukunft vom Staat oder vom Markt erbracht werden, was ersteren jedenfalls aus finanziellen Gründen und letzteren aus Gründen der Knappheit an Arbeitskraft überfordern würde.
Bis hierher könnte man Schirrmacher´s Überlegungen noch als Verschärfung der unter B.1. besprochenen Finanzierungsproblematik verstehen. Sie wurden bei der Tagung auch nicht explizit behandelt. Schirrmacher macht aber auch auf ein weiteres Problem der sozialen Kohärenz in Zeiten des demographischen Wandels aufmerksam[3]:Das Kind, das mit seinen Eltern in einer Metropole lebt, wird außerhalb der eigenen vier Wände Familien vor allem in muslimischer Prägung kennen lernen. Bewohner mit deutschem Hintergrund werden in den Städten vorwiegend mit neuen Lebensformen experimentieren, während die klassischen Familien ins Umland abwandern.........Der Zufluchtspunkt der nicht integrierten jungen Erwachsenen mit Migrantenhintergrund wird in noch viel stärkerem Maße die Herkunftsfamilie sein. Es ist kein Zufall, dass der Zusammenprall der Kulturen in Deutschland vor allem als Zusammenprall von Vorstellungen über die Familie erlebt wird...........Die Mehrheiten in den Städten werden Zugewanderte sein, zu einem hohen Prozentsatz besitzen sie einen deutschen Pass;aber vierzig Prozent von ihnen werden, nach gegenwärtigem Stand der Dinge, die Schule ohne Abschluss verlassen.
Schirrmacher spricht hier neben den allgemeinen Problemen der sozialen Desintegration im Speziellen das Problem der kulturellen Desintegration im Zusammenhang mit der Zuwanderung der Vergangenheit und dem damit hohen Anteil von Einwohnern Deutschlands mit Migrationshintergrund an. Dieser beträgt nach (Schmid Susanne) 18,6% der deutschen Gesamtbevölkerung. Viele davon haben allerdings keine muslimische Prägung. Für die Zukunft ist hier allerdings die Fertilität der unterschiedlichen Gruppen von großer Bedeutung. (Schmid Susanne) zeigte sehr deutlich, dass vor allem türkische, afrikanische und asiatische Frauen eine hohe Fertilität aufwiesen, die in hohem Maße islamisch geprägt seien. Zuwanderer aus Deutschlands Nachbarländern hätten eine deutlich niedrigere Fertilität. Nach (Schmid Susanne) haben Personen mit Migrationshintergrund überdies unterdurchschnittliche Qualifikationsniveaus und eine niedrigere Erwerbsbeteiligung, was aber kaum für Personen aus den Nachbarländern Deutschlands gelten dürfte. Dies bedeutet im Umkehrschluss, das die verbleibende Personengruppe (vor allem Türken, Afrikaner und Asiaten) eine besonders niedrige Qualifikation und Erwerbsbeteiligung aufweisen. Dies ist für die Erstgeneration der Einwanderer wahrscheinlich nichts Ungewöhnliches. Fraglich ist allerdings, ob die Situation bei den schon in Deutschland geborenen Generationen besser ist. (Schmid Josef) wies bei der Tagung auf bestehende Kulturdifferenzen zwischen Okzidentalem Kontext und Islamischem Kontext hin, die möglicherweise das unterschiedliche Verhalten auch in Zukunft verfestigen: der islamische Kontext bedeutet u. a. eine kritische Position gegenüber einer individualistischen Gesellschaft, eine Dominanz von Gemeinschaft und Gehorsam und des Glaubens gegenüber der Herrschaft der Vernunft. In dem Maße, in dem eine Integration der zukünftigen Generationen mit muslimischem Migrationshintergrund im Sinne einer Veränderung der Werthaltungen nicht gelingt, sind zunehmende Konflikte wohl vorprogrammiert. Dies ist besonders dann von großer Bedeutung, wenn die Lösung des Problems der Überalterung der deutschen Gesellschaft nicht ohne zusätzliche Zuwanderung aus außereuropäischen Ländern auskommen sollte.
B.3. Raum ohne Volk? Die Gefährdung des räumlichen Zusammenhalts
(Tichy) hat bei der Tagung darauf hingewiesen: bei abnehmender Bevölkerung wird aus wirtschaftlichen Gründen die derzeit das ganze Bundesgebiet in mehr oder weniger starker Dichte abdeckende Infrastruktur kaum noch in diesem Maße flächendeckend aufrecht erhalten werden können. Die Wirtschaftlichkeit einer Infrastruktur (Schiene, Straße, Flughäfen, systemgebundene, vor allem aber leitungsgebundene Versorgung, Sicherheitssysteme etc.) haben in gewissen Maße Fixkostenchrakter. Sie sind in der Regel für den Nutzer umso kostengünstiger, je höher die Nutzungsdichte liegt. Schiene, Straße, Flughäfen und leitungsgebundene Versorgung stellen aus wirtschaftlicher Sicht überdies versunkene Kosten dar, d.h. Sie sind nicht an anderem Ort oder für andere Zwecke wirtschaftlich wieder verwendbar. Sofern sie mit Krediten finanziert wurden, werden mehr und mehr die Einnahmen geringer werden, die Finanzierungskosten und die Betriebskosten aber gleich bleiben. Verluste sind dann wohl unvermeidlich. Als Folge wird sie Infrastruktur in Gebieten mit abnehmender Nutzerdichte wohl von den Betreiber zurück gefahren werden müssen und nur in den Ballungsgebieten mit gleicher Intensität weiter angeboten werden können. Zwischen den Ballungsgebieten könnte sich ein infrastrukturell zwar nicht leerer aber doch stark ausgedünnter ländlicher Raum auftun.
B.4. Wirtschaft und Arbeitsmarkt: Verstärkter Druck in Richtung strukturellen Wandels bei Unternehmen und Arbeitnehmern
(Walwei) legte eine Prognose der deutschen Erwerbsbevölkerung bei moderat positiven Wanderungssaldos vor. Danach ergibt sich bereits bis 2030 ein Rückgang der Erwerbsbevölkerung je nach Annahme über die Zuwanderung von ca 5Mio bzw. 7Mio Personen. Da der Anteil der Erwerbsbevölkerung an der Gesamtbevölkerung sinken wird (Dobritz) bedeutet dies auch, dass die Bevölkerung als ganzes langsamer sinken wird als die Erwerbsbevölkerung und damit auch die Zahl der Güter und Dienstleistungen nachfragenden Personen. (Heinlein) zeigte überdies, dass die Generation 60 plus durchaus konsumfreudig sein aber eine gegenüber Jüngeren modifizierte Konsumstruktur haben wird. Nachdem auch Junge Menschen eine von Anderen markant unterschiedliche Konsumstruktur haben und ihre Zahl zurück gehen wird ist bis 2050 eine markante Änderung der Konsumstruktur insgesamt zu erwarten.
Diese Entwicklung bedeutet für Deutschlands Unternehmen eine zweifache Herausforderung. Zum einen muss bei einer stärkeren Verringerung der Erwerbsbevölkerung als der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ceteris paribus vom Auftreten von Knappheiten am Arbeitsmarkt und damit von einem dadurch ausgelösten Anstieg des allgemeinen Lohnniveaus ausgegangen werden. Dies würde den Verbleib von Produktionen mit relativ niedriger Produktivität unmöglich machen und sie zur Abwanderung in Niedriglohnländer zwingen. Damit wäre eine Verlängerung/Verstärkung des bereits in der Vergangenheit durch die Globalisierung ausgelösten strukturellen Wandels der deutschen Wirtschaft um Jahrzehnte unumgänglich.
Zum anderen aber muss sich die Wirtschaft auf die veränderte Nachfragestruktur einstellen. Eine besondere Rolle spielen dabei jene Leistungen, die persönlich vor Ort erbracht werden müssen. (Heinlein) hat hierfür beeindruckende Daten für die alten Konsumenten geliefert. Es ist aber darüber hinaus zu erwarten, dass selbst bei zurück gehendem Anteil der Jungen auch für diese Altersgruppe zusätzliche Nachfrage nach Betreuungs- und Bildungsleistungen entstehen wird.
Der Dienstleistungssektor wird also potentiell ein Wachstumsbereich sein. Diesem Potential stehen allerdings gravierende Probleme gegenüber. Im Gegensatz zum produzierenden Bereich müssen die Leistungen vor Ort erbracht werden -die steigenden Lohnkosten können nicht durch Verlagerung in Niedriglohnländer ausgeglichen werden. Dienstleistungen sind überdies überdurchschnittlich Personalkosten- intensiv. Das steigende Lohnniveau wird daher zu überdurchschnittlich hohen Preissteigerungen der Dienstleistungen führen- ein Problem für Nachfrager und Anbieter von Dienstleistungen gleichermaßen. Werden sich die Dienstleistungen aus dem Markt preisen? Wird es zu Unterversorgungen kommen (Die Familien als Ersatz funktionieren ja nur mehr bedingt)? Wird die schon jetzt große Schattenwirtschaft eine Ausweitung erfahren?
Für Arbeitnehmer wird der verstärkte strukturelle Wandel von Angebot und Nachfrage -zwar bei steigendem Lohnniveau- einen starken Druck zur Requalifizierung und Höherqualifizierung bringen. Es darf auch nicht übersehen werden, dass dies auch zu vermehrter Nachfrage nach Beschäftigten im Bildungsbereich führen wird. Die Angst vor der Arbeitslosigkeit mangels Nachfrage wird durch die Angst vor der Fehlqualifikation abgelöst werden.
C. Problemlösungen: die Apokalypse ist vermeidbar
Die dargestellten, durch den demographischen Wandel entstehenden Probleme sind also beträchtlich. Es gibt allerdings auch ein Bündel möglicher Maßnahmen zur Problemlösung. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass Maßnahmen zur Lösung des einen Problems oft andere Probleme eher verschärfen würden. Man denke hier nur an die Ausweitung der Erwerbsbevölkerung durch Zuwanderung. Sie würde mit großer Wahrscheinlichkeit den soziokulturellen Zusammenhalt gefährden, gleichzeitig aber einen Beitrag zur Lösung der Finanzierungsprobleme bringen, den Raum mit Volk füllen und die Wirtschaftlichkeit der Infrastruktur verbessern. Eine Anhebung der Erwerbsbeteiligung der Frauen würde wahrscheinlich zu einer zusätzlichen Nachfrage nach Kinder- und Altenbetreuern führen. Es kann daher keine allein die Probleme lösende Einzelmaßnahme geben sondern nur ein gut aufeinander abgestimmtes Policy-mix. Die Anforderungen an die Gestalter sind daher groß. Auf der anderen Seite darf nicht vergessen werden, dass mit Gestalter nicht nur die Politik gemeint ist sondern praktisch jeder handlungsfähige Akteur: Unternehmer, die neue Produkt- und Standortentscheidungen treffen, Arbeitnehmer die vorausschauend in ihre Qualifikation investieren, Erwachsene die individuell für ihr Alter vorsorgen. Es wird auch nicht unbedingt eines Masterminds bedürfen, der allen sagt, wohin die Reise gehen soll. In manchen Problembereichen werden die Marktkräfte selbst die Richtung vorgeben.
C. 1Potentiale in der heimischen Erwerbsbevölkerung ausschöpfen! Das geleistete Arbeitsvolumen erhöhen!Der Markt wird mithelfen. Der Mittelstand hat ein Handikap
(Dobritz), (Walwei) und (Blum) zeigten sehr deutlich, dass das deutsche Erwerbspersonenpotential ausgedrückt in Personen in den nächste Jahrzehnten sinken wird. Der Anteil der 20 bis 65 Jährigen wird bis 2050 von knapp 61% auf etwa 52% sinken, auf jeden von ihnen werden 2050 um ca.50 % mehr Abhängige entfallen als 2005.
Dies sieht auf den ersten Blick allerdings dramatischer aus als bei einer näheren Betrachtung. Gerade in Hinblick auf das Großproblem der zukünftigen Finanzierung kommt es doch nicht so sehr auf die Anzahl der 20- 65 Jährigen, sondern auf das tatsächlich von diesen geleistete Arbeitsvolumen als Finanzierungsbasis an. Dieses kann bei gegebener Zahl der Erwerbspersonen z.B.
- durch eine höhere Beteiligung der 20 bis 65 Jährigen (insbesondere der Frauen) am Erwerbsleben (z.B. liegt Dänemark um 10 Prozentpunkte höher als Deutschland) geschehen. (Hülskamp) berichtete, dass 56% der derzeit nicht berufstätigen Mütter gerne erwerbstätig wären!
- durch Übergang von Teilzeitarbeit zu Vollzeitarbeit (etwas mehr als 10% der deutschen Beschäftigten sind Teilzeit- beschäftigt),
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- durch Reduktion der Arbeitslosigkeit (zur Zeit in Deutschland etwa 7%)
- durch Anhebung des effektiven Rentenantrittsalters von derzeit ca 60 auf 65 Jahre. Nach (Hülskamp) würde ein Viertel der nicht mehr berüfstätigen 60- 80 Jährigen noch gerne arbeiten. etc. geschehen.
Die bereits beschlossene Anhebung des gesetzlichen Rentenantrittsalters auf 67 Jahre wird unterstützend wirken. In Summe müsste die Ausschöpfung dieser Potentiale eine deutliche Anhebung des Arbeitsvolumens bei gegebener Erwerbsbevölkerung möglich machen und einen wesentlichen Beitrag zur Entschärfung des Finanzierungsproblems leisten. Der durch den erwarteten Anstieg des Abhängigenkoeffizienten um etwa 50% suggerierte zusätzliche finanzielle Belastung der Erwerbstätigen würde bei der aufgezeigten Ausweitung des Arbeitsvolumens erheblich geringer ausfallen.
Natürlich sind hierfür unterstützende politische Maßnahmen nötig und (Hülskamp), (Walwei) und andere haben im einzelnen darauf hingewiesen. Es darf aber auch nicht übersehen werden, dass bei langsam steigender Knappheit des Arbeitsangebots der Markt selbst ein starker Treiber in Richtung einer Ausweitung des Arbeitsvolumens sein wird. Unternehmen werden mehr Interesse an älteren Arbeitnehmern entwickeln und von sich aus entsprechende Arbeitsmodelle und Fortbildungsmaßnahmen anbieten. Werkskindergärten werden es Müttern erleichtern Vollzeittätigkeiten anzunehmen. Ein steigendes Lohnniveau wird viele jener, die zur Zeit mangels attraktiver Entlohnung noch lieber in der Sozial- Hängematte liegen aus dieser hervor locken.
Für die mittelständischen Unternehmen ergeben sich dabei allerdings einige spezifische Probleme. Die oben beschriebenen betrieblichen Anpassungsmaßnahmen sind in Großunternehmen weit leichter kostengünstig organisierbar als in kleineren Unternehmen. Für kleinere Unternehmen sind wohl in vielen Fällen überbetriebliche Lösungen notwendig. Hier eröffnet sich ein weites Betätigungsfeld für Kammern und Verbände und subsidiär wohl auch für den Staat.
C.2. Zuwanderung zur Vermehrung der Erwerbsbevölkerung/Erfahrungen der Vergangenheit führen zu Paradigmenwechsel/Auch hier wird der Markt verstärkt wirksam
Die von (Dobritz) und (Walwei) vorgestellten Bevölkerungsprognosen gehen von moderaten Netto- Zuwanderungsströmen von 100.000 bis 200.000 p.a. aus. Über 40 Jahre gerechnet sind das aber auch mehr als 4-8Mio Zugezogene, weil ja ein positivesNetto bedeutet, dass mehr als Netto zuwandert. Angesichts des bereits relativ hohen Anteils der Bevölkerung Deutschlands mit Migrationshintergrund (18,6%) und den damit verbundenen Problemen hat sich bereits in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel in der Zuwanderungspolitik (von Löffelholz) durch Konzentration auf Qualifikation statt auf Masse ergeben (Green-Card Initiative). Integrationsfähigkeit hat einen hohen Stellenwert erhalten.
Zu fragen aber ist, ob nicht der demnächst zu erwartende Wegfall der Barrieren Deutschlands gegenüber den Arbeitsmärkten Osteuropas die Situation deutlich verändern wird. In Osteuropa gibt es gut qualifizierte Arbeitskräfte. Allerdings werden diese Länder ähnliche demographische Probleme haben wie Deutschland. Am Beispiel Großbritanniens und Irlands ist zu erkennen, dass innereuropäisch bei freiem Arbeitsmarkt große Lohndifferenzen sehr wohl zu großen marktgesteuerten Wanderungsströmen führen. Wenn sich die Lohndifferenz zwischen Osteuropa und Deutschland nicht wesentlich verändert, sollte wohl auch gegenüber Deutschland der Markt wirken und ein zusätzliches Angebot an osteuropäischen Erwerbstätigen bringen. Dies muss angesichts der geographischen Nähe Osteuropas allerdings nicht endgültige Zuwanderung bedeuten sondern könnte in bestimmten Lebensabschnitten in Richtung eines Pendelns zwischen Arbeitsland Deutschland und Heimatland führen. Die Integrationsproblematik für Deutschland wäre wohl gering, allerdings ginge den osteuropäischen Ländern wertvolles Erwerbspotential verloren.
Insgesamt gesehen ist aus den genannten Gründen selbst bei restriktiver Zuwanderungspolitik gegenüber EU- Ausländern eine über die Prognosen hinausgehende Nettozuwanderung aus EU- Ländern nach Deutschland und damit ein gewisser Beitrag zur Lösung der demographischen Probleme Deutschlands zu erwarten.
C. 3. Produktivitätswachstum leistet einen wichtigen Beitrag zur Lösung/ Die Marktkräfte wirken auch hier/Auch die Alten sind produktiv/Qualifikation ist entscheidend
Der schon mehrfach angesprochene drohende Anstieg des Abhängigenkoeffizienten um ca. 50% bedeutet ja vor allem, dass für die 20-65 Jährigen bis 2050 die finanzielle Last der Erhaltung der Abhängigen (also der Jungen und der Alten) um die Hälfte steigen wird. Neben der Steigerung der Zahl der Erwerbspersonen bzw. des Arbeitsvolumens kann diese Last auch durch Erhöhung der Leistung pro Erwerbsperson, also durch Produktivitätswachstum vermindert werden. Nach (Eckert) ist die Produktivität in den Ländern der EU(25) zwischen 1995 und 2004 jährlich um etwa 1,6% gestiegen, in den EU(15) Ländern etwas geringer, dafür aber in den 15 Jahren davor erheblich mehr, nämlich um 2,4%. Produktivitätswachstum hängt offenbar von einer Vielzahl von Faktoren ab. Einige sind der politischen Gestaltung zugänglich, einige nicht. Nimmt man einmal bescheiden an, dass in Deutschland in den Jahren bis 2050 ein Produktivitätswachstum von etwa 1,5% jährlich erzielt werden könnte, dann würde das BIP pro Arbeitseinheit in den nächsten 42 Jahren um etwa 85% steigen also um 35% mehr als zur Abdeckung der demographisch bedingten zusätzlichen finanziellen Belastung der Erwerbspersonen nötig ist. Diese 35% und nicht die ganzen 85% stünden für die Steigerung der Einkommen zur Verfügung. Von einem unausweichlichen Rückgang der Erwerbseinkommen (netto) kann aber nicht gesprochen werden.
Von dieser Basis aus kann überlegt werden, ob und wie Möglichkeiten der Anhebung des Produktivitätswachstums über die angenommenen 1,5% hinaus gegeben sind. (Eckert) weist auf die Notwendigkeit der strukturellen Anpassung in Richtung produktiverer Sektoren hin. Dafür sorgt bei funktionierendem Wettbewerb schon der Markt. Der zu erwartende Lohndruck wird zur Verlagerung weniger produktiver Sektoren in Niedriglohnländer führen. Sofern die weniger werdenden Erwerbspersonen in Deutschland ausreichend für die Arbeit in Sektoren mit höherer Produktivität qualifiziert sind wird durch diesen Struktureffekt die Produktivität in Deutschland automatisch steigen. Dieser Effekt hat auch schon in der Vergangenheit gewirkt. Eine Beschleunigung ist vor allem durch mehr Innovation möglich. Investitionen in Humankapital sind eine wesentliche Voraussetzung. Bildung, Forschung und Entwicklung werden zu den entscheidenden Stellgrößen.
Eine zentrale Aufgabe wird der Erhalt und die Erneuerung des Humankapitals der älteren Erwerbstätigen sein. (Stapf) zeigte sehr eindringlich, dass dabei vom Defizitmodell also der Vorstellung, dass ältere Menschen naturgegeben Defizite aufweisen, die sie weniger produktiv machen, zum Kompetenzmodell übergegangen werden müsse. Nach diesem, dem modernen Stand der Wissenschaft entsprechenden Modell haben ältere Menschen nicht nur Defizite, sondern auch ganz spezifische Stärken, deren Nutzung in der richtigen Mischung mit Jüngeren sehr wohl zur Produktivitätssteigerung führen kann.
(Eckert) zeigte auf, dass die Zukunft einer die Produktivität steigernden Wirtschaft eher im modernen Dienstleistungsbereich gesehen werden müsse, und er wies im besonderen auf das Beispiel der modernen Kommunikationstechnologien hin. Diese Sektoren haben gemeinsam, dass Personalkosten eher den Charakter von Fixkosten als von variablen Kosten haben. Mit einem marktgerechten Produkt können daher große Produktionsvolumina ohne proportional steigenden Personaleinsatz erzielt werden. Die Softwareindustrie mag hier ein Beispiel sein, Infotainment ist ein anderes.
Nicht vergessen werden darf dabei die Frage des Kapitaleinsatzes. Sofern im Produktionsprozess Arbeit durch Kapital ersetzt werden kann trägt eine solche Substitution zur Steigerung der Arbeitsproduktivität bei, allerdings nur mit abnehmendem Grenzertrag. Sofern Arbeit durch Kapital nicht ersetzt sondern ihr Produkt durch Kapitaleinsatz immer größeren Kundenkreisen zugänglich wird (elektronische Informations- und Suchsysteme, Marketing für Software, etc) kann aber in gewissen Grenzen vom Kapitaleinsatz sogar ein steigender Grenzertrag erwartet werden. Kapitaleinsatz setzt Kapitalbildung voraus. Hier ergibt sich die Schnittstelle zur letzten bei der Studientagung diskutierten Problemlösung.
C. 4. Eigenvorsorge durch Sparen/Breit gestreutes Vermögen schafft eine Schicksalsgemeinschaft zwischen jung und alt/ Vermögen erhält seinen Wert nur aus der Arbeit zukünftiger Generationen/Anlage im wachstumsstärkeren Ausland hilft, hat aber seine eigenen Risiken/ Die Armen gehen leer aus
(Mißfelder) sprach aus, was offenbar viele Junge denken, Experten erklären und die Finanzwirtschaft verlangt: die Alten sollen der Jugend nicht die Zukunft stehlen, indem letztere die ersteren in der einen oder anderen Weise finanzieren müssen, sondern sie sollen Eigenvorsorge durch Ansparen treffen. Wolle man nicht die Jungen schädigen könne sich der Staat auf längere Frist die Finanzierung der Alten durch Transfers nicht mehr leisten. Ein System der privaten, individuellen Finanzierung des Alters durch Kapitaldeckung sei die richtige Alternative (Reitzler).
Hier tut man allerdings so, als hätten die Alten bisher nicht gespart. Tatsächlich ist dies ganz anders (Müller). Viele Menschen haben nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten und im Verhältnis zu ihrem Lebensniveau ganz erhebliche Ersparnisse akkumuliert, aus denen Erträge fließen, Ersparnisse die sie auch aufzehren können oder ganz oder teilweise im Wege von Schenkungen und Erbschaften an die nächste Generation weiter geben. Nicht umsonst spricht man auch von der Generation der Erben. In dem Maße in dem die Jungen erben, müssen sie im Vergleich zu ihren Vorfahren selbst auf weniger Konsum verzichten (die Alten stehlen der Jugend nicht die Zukunft sondern sie schenken sie ihr); in dem Maße in dem die Alten ihr Vermögen verbrauchen benötigen sie zwar weniger staatliche Rente, die Jungen müssen aber auf Konsum verzichten um neu anzusparen. Durch die Existenz von breit gestreutem Vermögen kann es eigentlichen keinen Generationenkonflikt geben. Es besteht vielmehr eine durch Vermögen verbundene Schicksalsgemeinschaft der Generationen.
Etwas wichtiges kommt noch hinzu: im Zuge des als Problem begriffenen demographischen Wandels besteht jede neue Generation aus weniger Personen als die vorhergehende. Das Vermögen in der Gesellschaft wird daher auf immer weniger Köpfe verteilt. Wenn die Alten das Vermögen nicht verbrauchen sondern an die nächste Generation weitergeben, wird die jeweils nächste Generation pro Kopf reicher.
(Müller) wies noch auf eine ganz wichtige, von Mackenroth formulierte gesamtwirtschaftliche Einschränkung hin: auch Ansparen ändert nichts daran, dass es jeweils nur die gerade arbeitsfähige Generation ist, die aus ihrem Wirtschaftsergebnis die Alten finanzieren kann. Vermögen ist ja bloß ein Titel auf einen zukünftigen Wert, der nur dann größer Null sein kann, wenn es in der Zukunft Erträge gibt, die aber nur von der jeweiligen arbeitsfähigen Generation erwirtschaftet werden können. Gibt es in Zukunft keine Arbeitsfähigen, so hat das Angesparte seinen Wert verloren. In einem geschlossenen System ist es daher egal ob Alten über Kapitalerträge oder über staatliche Transfers finanziert werden: beide müssen von den gleichen Menschen erarbeitet werden, nämlich der jeweiligen Erwerbsbevölkerung. Die Problematik der Werterhaltung von Vermögen bei abnehmender Bevölkerung ist besonders bei inländischen Immobilien relevant: wer wird bei abnehmender Wohnbevölkerung in Zukunft alle in Deutschland schon vorhandenen Wohnungen nachfragen?
Die Situation ist in einem offenen System, in dem das Kapital in anderen Ländern mit wachsender Bevölkerung/ wachsender Wirtschaft angelegt wird zwar anders, aber es ergeben sich auch neue Probleme. Durch direkte oder indirekte Anlage des heimischen Kapitals in Ländern mit starkem zukünftigem Wachstum können die Kapitalanleger aus Ländern mit demographisch bedingt abnehmenden Renditen an höheren Renditen partizipieren. Ansparen bringt dann höhere Erträge als dem heimischen Wirtschaftswachstum entspricht. Die neuen Probleme sind allerdings nicht unerheblich: die Altersvorsorge wird nicht nur vom Wirtschaftswachstum anderer Länder/Kontinente sondern vor allem auch von der Stabilität der dortigen Rechtssysteme und Rechtsdurchsetzung abhängig. Die derzeitige Finanzkrise ist für dieses Risiko ein gutes Beispiel: Fahrlässigkeit, Betrug und Unfähigkeit nicht zuletzt in weit entfernten Ländern haben in einer Kettenreaktion zur Vernichtung von Ersparnissen Otto Normalverbrauchers geführt, die für sein Alter gedacht waren. Hier haben wohl nicht die Alten die Jungen, sondern einige derzeitige junge Finanzhaie die Zukunft der Alten gestohlen.
Wer auf der Strecke bleibt, das sind die Armen. Für sie steht die Lösung der Kapital- gedeckten Altersvorsorge kaum zur Verfügung. Das eigene Einkommen gibt keinen Spielraum für Sparen und von den Vorfahren kann auch nur selten etwas erwartet werden. Viele Untersuchungen zeigen, dass sich Armut oft über die Generationen perpetuiert.
D. Schlussfolgerung
Betrachtet man die Ergebnisse der Studientagung 2008 aus einiger Distanz, so wird klar, dass die Lösung des demographischen Problems Deutschland in einer Kombination einzelner Maßnahmen liegen muss, dass aber eine Lösung des zur Zeit wohl am meisten diskutierten Problems, nämlich das der Finanzierung des demographischen Wandels ohne den von interessengeleiteten Apokapyptikern heraufbeschworenen Konflikt der Generationen durchaus möglich ist- selbst ohne den oft propagierten verstärkten Umstieg zu Kapital- gedeckten Ansparmodellen.
Zuwanderung wird wahrscheinlich einen Beitrag zur Problemlösung leisten. Die engen Grenzen, die durch die mit ihr verbundenen soziokulturellen Probleme gesetzt werden, lassen allerdings nur einen relativ kleinen Beitrag zur Lösung erwarten. Soll die Zuwanderung positive Effekte bringen muss sie jedenfalls selektiv sowohl in Hinblick auf die soziokulturelle Verträglichkeit wie auch auf das Qualifikationsniveau der Zuwanderer erfolgen. In einem gewissen Maße ist ein positiver Wanderungssaldo aus Osteuropa zu erwarten.
Eine Ausweitung des heimischen Erwerbspotentials und im besonderen des heimischen Arbeitsvolumens gemeinsam mit einer laufenden Produktivitätssteigerung von ca. 1,5 % p.a. muss den Kern der Strategie zur Lösung der anstehenden Probleme bilden. Umfragen zeigen auch eine beträchtliche Bereitschaft der Deutschen zur verstärkten Erwerbsbeteiligung und zur Ausweitung des Arbeitsvolumens.
Vorsorge durch Ansparen wird auch in Zukunft ihren Stellenwert haben. Eine Werterhaltung der Ersparnisse wird aber immer mehr vom Wachstum überseeischer Regionen abhängen und von deren gesellschaftlicher und rechtlicher Stabilität abhängen. Eine Anhebung der schon jetzt hohen Sparrate der Deutschen ist nicht unbedingt nötig. Sofern nur die Kapitalerträge und nicht das Kapital selbst konsumiert werden wird der Kapitalstock auch bei gleich bleibenden Sparverhalten weiter steigen und über dies auf immer weniger Köpfe aufzuteilen sein.
Ein wichtiges Sonderproblem stellt die zu erwartende überdurchschnittliche Nachfrage nach persönlichen Dienstleistungen dar . Bei diesen können Produktivitätssteigerungen nur schwer erzielt werden. Bei dem zu erwartenden Lohndruck werden Dienstleistungen notwendigerweise überdurchschnittlich teuer werden. Eine steuerliche Entlastung der Dienstleistungen wird möglicherweise nötig sein, um sie für die breite Masse leistbar zu erhalten.
Für den Mittelstand stellt die skizzierte Entwicklung Chance und Risiko zugleich dar. Die zu erwartenden strukturellen Änderungen begünstigen auch Sektoren in denen der Mittelstand besonders stark ist (Dienstleistungen). Auf der anderen Seite wird er es besonders schwer haben, sich in Konkurrenz zu den Großbetrieben ausreichend viele und qualifizierte Mitarbeiter zu sichern.
[1] Siehe auch: Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, Bevölkerung/ Daten,Fakten Trends zum demographischen Wandel in Deutschland, Wiesbaden 2008
[2] Frank Schirrmacher, Minimum/Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaften, Pantheon 2008
[3] Frank Schirrmacher, aao. S 117ff